Geschichte,  Reiseziele

Der Rebell von Bamburgh Castle

Aufstand in Nordengland! Es geht gegen den herrschenden König George I., und für James III. vom Hause Stuart. Am 9. November 1715 marschieren Rebellen in der nordenglischen Stadt Preston ein. Ihr General ist Thomas Forster von Bamburgh Castle, 35 Jahre alt. Er neigt zur Korpulenz, hat eine große Nase und hängende Schultern. Militärische Erfahrung: Keine. Die Truppen König Georges haben leichtes Spiel mit den Rebellen. Thomas ergibt sich am 14. November. Er und 1.468 weitere Rebellen werden als Gefangene nach London gebracht. Ihnen droht die Todesstrafe.

Thomas‘ Schwester Dorothy (29) ist schockiert, als sie von der Verhaftung ihres Bruders erfährt. Aber sie ist eine Dame, mit der man rechnen muss.

 

Eine mutige junge Frau

Dorothy ist entschlossen, Thomas zu retten. Dazu muss sie nach London reisen, doch dies ist einfacher gesagt als getan: Es ist Winter, und die ohnehin schlechte Straße ist durch Schnee und Eis nahezu unpassierbar. Das beste Transportmittel ist ein Pferd. Aber kann eine Dame aus gutem Hause allein hunderte von Meilen in die Hauptstadt reiten?

Dorothy wäre nicht Dorothy hätte sie keine Lösung für das Dilemma: Sie wird in Verkleidung reisen, und zwar als Diener. Um unterwegs nicht schutzlos zu sein, versichert sie sich der Hilfe eines Freundes, dem Hufschmied Purdy. Gemeinsam trotzen sie Wetter und Gefahren und reiten nach London. Die nächste Hürde ist das Gefängnis Newgate, in dem Thomas einsitzt. Newgate ist massiv und voller Wächter. Man bräuchte eine Armee, um das Gefängnis zu stürmen – oder einen sehr guten Plan. Während Dorothy grübelt, vergeht die Zeit. Jeder Tag bringt Thomas seinem Gerichtsverfahren und damit einem Todesurteil näher.

Ein bestochener Wächter

Endlich bietet sich Hilfe in der Gestalt eines gewissen Mr. Jonas an. Mr. Jonas ist Wächter in Newgate. Er weiß, wie man an die Schlüssel kommt. Und er braucht Geld. Für £500 (ca. £40.000 in heutiger Währung) steckt er Dorothy den Schüssel zur Zelle ihres Bruders zu. Sie macht einen Wachsabdruck, anhand dessen der hilfreiche Hufschmid Purdy einen Zweitschlüssel fertigt. Dorothy instruiert Thomas‘ Diener, der sich in Newgate um ihren Bruder kümmert, zu seiner Rolle beim Ausbruch. Schließlich organisiert sie Pferde und ein Schiff, das Thomas nach Frankreich bringen soll.

Die Flucht

Der Ausbruch ist für den 10. April 1716 geplant – drei Tage vor Thomas‘ Gerichtsverfahren. Dorothy schmuggelt den Schlüssel unter ihren Kleidern zu Thomas. Ihr Bruder sieht elend aus. Die Zeit im Gefängnis hat ihn gezeichnet. Kaum kann er glauben, dass er noch am selben Tag fliehen soll.

Es wird Abend am 10. April 1716. Der Zufall will es, dass Mr. Pitts, der Leiter von Newgate, just diesen Abend aussucht, um mit Thomas ein Schwätzchen zu halten. Das ist nicht unüblich zu jener Zeit, zumal Thomas ein interessanter politischer Gefangener und von recht hohem Stand ist. Die Herren diskutieren die Fehler, die die Rebellen im Herbst gemacht haben. Thomas bietet Mr. Pitts ein Glas Alkohol an. Weiterer Gläser folgen. Der Zweitschlüssel schlummert derweil in Thomas‘ Tasche. Endlich ist der Moment gekommen. Thomas‘ Diener gibt das Zeichen, dass die Luft rein ist. Ehe der betrunkene Besucher weiß, wie ihm geschieht, findet er sich in der Zelle eingesperrt, und der Gefangene flieht.

Der Sarg und das Sägemehl

Thomas verlässt England und reist nach Rom, wo James Francis Edward Stuart seinen Hof im Exil um sich geschart hat. Um die Behörden für alle Zeiten von seiner Spur abzubringen, verbreitet Dorothy das Gerücht, ihr Bruder sei auf dem Kontinent verstorben. Sie lässt sogar einen Sarg zimmern, um seinen Leichnam zurück nach England zu bringen. Aber der Sarg, der feierlich in der Familiengruft beigesetzt wird, enthält nicht Thomas‘ Gebeine, sondern Sägemehl. Thomas verstirbt erst im Jahr 1738, nachdem er James Francis Edward Stuart viele Jahre im Exil treu gedient hat.

 

 

Ein Beitrag von Anna M. Thane, Autorin des Romans
“Von tadellosem Ruf” (http://amzn.to/2TXvrez)